Laura Purcells Romane sind wie nach Hause kommen. Schon nach wenigen Seiten fühlt man sich wieder heimisch in der viktorianischen Zeit mit ihren schummrigen Anwesen, altmodischen Gepflogenheiten und dem leichten Grusel, der durch die fein gewobenen Sätze tröpfelt.
Nach Bestsellern wie «Die Stillen Gefährten» und «Das Korsett» reiht sich auch ihr neustes Werk «Die Flüsternde Muse» in die Liga der gehobenen Schauerstücke ein.
Dieses Mal entführt uns Purcell in die Welt des Theaters. Hier begegnen wir Jenny, die gerade eine Stelle als Schneiderin und Garderobiere antritt und die Nachwuchsschauspielerin Lilith Erikson betreuen soll. Das Bühnentalent der jungen Frau scheint zu Beginn noch sehr überschaubar – bis sie die Taschenuhr eines verstorbenen Schauspielers erbt, in der die Kraft der Muse Melpomene innewohnen soll.
Die Taschenuhr, so scheint es zumindest, erweckt das wahre Potenzial der jungen Schauspielerin. Doch zu welchem Preis? Obschon sich Lilith auf der Bühne zu einem wahren Publikumsmagneten entwickelt, verhält sie sich hinter den Kulissen wie ein unsäglich divenhaftes Miststück, dass allen auf die Nerven geht. Abgesehen vom Theaterdirektor, mit dem sie eine Affäre führt.
Das bringt schliesslich die eifersüchtige Frau des Theaterdirektors auf den Plan, die sich mit Jenny zusammenschliesst, um der Diva einen Denkzettel zu verpassen – womit das Chaos seinen nicht selten blutigen Lauf nimmt.
«Die Flüsternde Muse» schreitet besonders in der ersten Hälfte in einem eher gemächlichen Tempo voran. Zwar sind die Intrigen am Theater durchaus interessant und die Atmosphäre greifbar, nur wirklich packen will das Geschehen noch nicht. Zwar gibt es immer wieder schaurige Momente und Bilder – die sich dann leider nicht immer schlüssig auflösen – wirklich zur Sache geht’s aber erst etwa ab der Hälfte. Dann aber behält Purcell das Tempo bei und liefert anhaltende Spannung und ein furioses Finale, bevor der Vorhang schliesslich fällt.
Was Purcell meisterhaft gelingt, ist die Charakterisierung ihrer Figuren. Die Hauptfiguren sind allesamt plastisch und handeln grösstenteils nachvollziehbar. Spannend ist auch, dass sich die Sympathien mit fortschreitender Handlung verschieben. Für einst verhasste Charaktere empfindet man plötzlich Mitleid und umgekehrt.
Wenig Zurückhaltung legt die Autorin bei den Todesopfern an den Tag. So blutig gestorben wurde bei Purcell selten. Die Gewaltspitzen fügen sich aber gut in die zunehmend düstere und dichter werdende Atmosphäre ein, ohne zu «Gore-Porn» zu verkommen.
Alles in allem ist «Die Flüsternde Muse» meiner Ansicht nach nicht Laura Purcells bestes Werk. Nichtsdestotrotz eine sehr lohnende Lektüre.
Rezensionsexemplar vom Verlag zur Verfügung gestellt.
Das Buch ist als Taschenbuch und E-Book u.A. über den Festa-Verlag erhältlich.